Johannes R. Becher
Johannes R. Becher als Minister für Kultur 1954-1958
Aspekte zur gesamtdeutschen Kulturpolitik
Bernhard Heisig: Johannes R. Becher, Lithografie, 1979
Die Berufung von Johannes R. Becher[1] zum Minister für Kultur 1954 wurde unter dem Gesichtspunkt eines Zugeständnisses an die Kulturschaffenden des Landes nach dem Aufstand am 17. Juni 1953 gesehen, er galt als Minister der Künstler im Neuen Kurs.[2] Doch die Versprechungen der Partei hinsichtlich einer liberalen Konzeption waren, wie es Sitzungen und Tagungen schon im Juni und Juli 1953 zeigten, kein Widerruf ihrer bisherigen Kultur- und Kunstpolitik.[3] Der entsprechende Passus einer Minimalforderung im Entwurf der Entschließung vom 9. Juni entfiel auf der entscheidenden 15. ZK-Tagung im Juli ersatzlos.[4]
Die Frage stellt sich, ob SED, Regierung und nicht zuletzt die sowjetische Gewährsmacht sich nur deshalb für Becher entschieden bzw. sich Becher für die Annahme des Amtes empfahl, um die unzufriedenen Künstler zu besänftigen[5] oder war es möglicherweise eine Belohnung für die Zurückhaltung der Kulturschaffenden während des Aufstandes am 17. Juni 1953. In der Literatur wird die Berufung auch in einen Zusammenhang mit der Berliner Außenministerkonferenz im Januar 1954 gestellt.[6] Auf diese Perspektiven soll hier eingegangen werden, denn meine These ist, dass die außen- und deutschlandpolitischen Aspekte der Berufung eine große, wenn nicht die entscheidende Rolle gespielt haben.[7]
Am 31. August 1953 schlug Paul Wandel, neuer ZK-Sekretär für Kultur, gegenüber Ministerpräsident Otto Grotewohl den Außenpolitiker Anton Ackermann als Minister des neuen Ministeriums für Kunst und Literatur vor[8] und das Sekretariat des ZK der SED übernahm diesen Vorschlag auf seiner Sitzung am 2. September, jedoch solle die Reorganisation der Kulturverwaltung nicht vor Oktober erfolgen.[9] Einerseits waren die innerparteilichen Machtkämpfe noch nicht entschieden und erst auf der 15. ZK-Tagung Ende Juli 1953 fiel die endgültige Entscheidung zugunsten Walter Ulbrichts; im Zuge dieser Säuberung wurde u.a. Ackermann aus dem Politbüro entfernt.[10] Darüber hinaus wartete man aber auch noch auf die Zusage der sowjetischen Seite zur Viermächte-Außenministerkonferenz in Berlin, die für den Westen „überraschend„[11] am 26. November eintraf. Am gleichen Tag ließ Ulbricht, der bereits im September von Zweistaatlichkeit gesprochen hatte,[12] eine Regierungserklärung veröffentlichen. Darin war wieder von der Forderung „Deutsche an einen Tisch“ und „gesamtdeutschen Gremien“ die Rede, die seit dem Brief Otto Grotewohls an die Bonner Regierung im November 1950 die Forderungen um einen Friedensvertrag und freie Wahlen begleitet hatten. Damals waren in der Bundesrepublik unter aktivem Einfluß von SED und KPD zahlreiche Komitees und Ausschüsse mit Gegnern der Remilitarisierung entstanden, die „Persönlichkeiten“ aus Politik, Wissenschaft, Kirche und Kultur aus beiden deutschen Staaten mit dem Ziel eines „Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates“ zusammenführen sollten.[13] Jetzt forderte dies Ulbricht wieder mit dem Ziel einer „Provisorischen Gesamtdeutschen Regierung„.
Am 9. Dezember 1953 schrieb Johannes R. Becher an Walter Ulbricht: „Die politische Situation, wie sie mit dem Stattfinden der Berliner Konferenz heranreift, macht es dringend nötig, die Bildung dieses Ministeriums unverzüglich vorzunehmen. Die Bildung solch eines Ministeriums würde den Vorschlag der Bildung eines gesamtdeutschen Gremiums zweifellos stark unterstützen, darüber hinaus aber vor allem dem Kulturschaffen ganz Deutschlands einen neuen Aufschwung geben.„[15] Kurz vor Beginn der Konferenz drängte er nochmals auf das Mitspracherecht eines solchen Gremiums: „Nichts ist in diesem historischen Augenblick so gefährlich als die durchaus irrige Annahme, daß angesichts der Viermächtebesprechung für uns Deutsche nichts anderes zu tun übrigbleibe als zu warten. Wer in solchem Augenblick abwartet, gibt sich selbst auf, während gerade in diesem Zeitpunkt außerordentliche Möglichkeiten bestehen, daß wir unter uns Deutschen selber zum Verhandeln kommen und zum Handeln.„[16] Aus den Worten Bechers spricht seine Überzeugung, Wirkung im gesamtdeutschen Rahmen entfalten zu können, erst recht als Mitglied der Regierung.
Eine heftige Debatte über gesamtdeutsche Kulturpolitik und die Funktion eines gesamtdeutschen Gremiums fand auf der Präsidiumssitzung der Deutschen Akademie der Künste am 17. Dezember statt. Hier standen sich zwei Positionen gegenüber. So meinte mit Bertolt Brecht die Mehrheit der Versammelten, die Akademie sei das gesamtdeutsche Gremium, sie müsse nur um ihrer Glaubwürdigkeit willen in ihrer Eigenständigkeit und ihren Handlungsmöglichkeiten gestärkt werden.[17] In diesem Sinn hatte Brecht kurz zuvor am 11. Dezember an Becher geschrieben: „Wir sollten also einfach ein provisorisches Gremium aufstellen, das zunächst für die DDR Vollmachten hat, und die Westdeutschen auffordern, dafür zu sorgen, daß ein vollständiges in ganz Deutschland arbeitsfähiges Gremium zustande kommt.„[18] Auch schlug er Personal für das neue Amt vor, deren Namen Akademiedirektor Rudolf Engel zustimmend an Becher weiterleitete. Als Staatssekretäre wünschte man Anton Ackermann und Erich Wendt und als ausgewiesene Fachleute Gustav Just für Literatur, Gerhard Strauss oder Heinz Mansfeld für bildende Kunst, Nathan Notowicz oder Hans Pischner für Musik sowie Mischa – Markus – Wolf als Leiter der Abteilung Kulturelle Beziehungen mit dem Ausland.[19] Alle Genannten, einschließlich Markus Wolf, der gerade mit dem Aufbau der Auslandsspionage begann, hatten nach Stalins Tod im März 1953 für Reformen in Partei und Staat gestanden.
Becher dagegen hatte seine Haltung inzwischen der stalinistischen SED-Linie angepaßt. Noch anläßlich seiner Wahl als Präsident im April 1953 hatte auch er die Akademie als eine eigenständige Institution mit gesamtdeutscher Ausstrahlung konzipiert.[20] Im Dezember nun versuchte er die enttäuschten Akademiemitglieder für ein neues Gremium zu gewinnen, das in der Bundesrepublik die Konfrontation unter den Kritikern der Bonner Westpolitik verschärfen sollte.[21] Das entsprach den Zielen Ulbrichts, der dem Politbüro gerade einen neu gegründeten Propaganda-„Ausschuß für Deutsche Einheit“ unterstellte.[22] Dessen Aufgabe sollte sein: die Aktionseinheit herzustellen, die „Zerschlagung und Lahmlegung der Gewerkschaften“ zu verhindern, in der CDU zu „differenzieren“ und „im gesamten Bürgertum die positiven Teile für den patriotischen Kampf“ betreffend Frieden und Einheit „zu gewinnen„.[23] Becher wurde Mitglied im Ausschuß, dessen einflußreicher Sekretär Albert Norden war.
Die Entscheidung für Johannes R. Becher scheint spät gefallen zu sein, zumindest lassen sich bisher keine weitere Diskussionen in den (deutschen) Quellen finden, auch nichts zur erforderlichen Zustimmung des Sowjetischen Hochkommissariats. In der Sitzung des Ministerrats vom 7. Januar mit der feierlichen Berufung Bechers vor geladenen Künstlergästen rekapitulierte Otto Grotewohl die aus Sicht der DDR großen Erfolge in der Kulturpolitik, deren Grundlagen unumstößlich seien. [24] Bezogen auf die aktuelle Situation hieß es: „Wenn der Ministerrat sich entschliesst, dieses Ministerium gerade jetzt in die Arbeit zu stellen, so hat das seine besondere Bedeutung in der Tatsache, dass die Gesamtheit der deutschen Kultur als das unerschütterliche und unantastbare Gut aller Deutschen vor der Berliner Konferenz laut und vernehmlich sichtbar gemacht werden muß. Wir wünschen, dass diese Aufgabe von diesem Ministerium in Angriff genommen wird, weil wir mit Recht glauben, dass die auf der deutschen Muttersprache basierende Kultur der Deutschen das unzerreißbarste Band zwischen Ost- und Westdeutschland ist. Dieses Band muss geknüpft, gepflegt und gefestigt werden.„
Die Reden von Otto Grotewohl und Johannes R. Becher waren politisch zurückhaltend, in ihnen wurde explizit nicht von gesamtdeutscher Kulturpolitik, lediglich von kultureller Einheit gesprochen. Was Becher selbst konkret nannte, waren innenpolitische Ziele, und zwar die Förderung einer „grossen Volkskunstbewegung“ als kulturelle Massenbasis, und einen „neuen kollektiven Arbeitsstil“ als Kritik an der ehemaligen Staatlichen Kunstkommission, wohl kaum an der Parteiführung unter Ulbricht, die noch im Sommer die Auseinandersetzungen um den Ersten Sekretär geprägt hatte. Insgeheim ist man auf dem Rückzug, was die „Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands“ betrifft, der Begriff einer ideellen nationalen Einheit begann den der staatlichen Einheit zu ersetzen.[25] Dafür war Becher damals die richtige Wahl, der sich als gesamtdeutscher Dichter verstand und in seinen Auftritten und Ansprachen eine nationale deutsche Kultur beschwor, zumal es in der Bundesrepublik keinen „nationalen“ Kultusminister gab und Kulturpolitik Ländersache war. Mit ihm, so war die Erfahrung, konnte konservatives Bildungsbürgertum in Westdeutschland gewonnen werden, mit dem man sich in der Abwehr der amerikanischen „Überfremdung“ und der „Flut des Ungeistes„[26] einig war.[27] Das war ein neues Kampffeld, denn der Widerstand gegen die Remilitarisierung war nicht mehr opportun, nachdem die DDR inzwischen sichtbar den Aufbau einer Volksarmee organisierte.
Johannes R. Bechers Berufung steht im Rückblick für ein wohlfeiles Angebot in der Zeit des Übergangs, in der sich die Deutschlandpolitik grundlegend änderte und wofür die Berliner Konferenz als Zäsur gilt[28], auf die 1955 die entscheidenden Schritte für neue Strukturen der internationalen Politik folgten. Er diente als repräsentativer Kopf der Behörde, in die ansonsten kaum verändert das Personal der ehemaligen Kunstkommission übernommen wurde, und entgegen der ursprünglichen Absicht blieb auch das mächtige Amt für Literatur und Verlagswesen und damit die Zensur weiterhin dem Ministerrat unterstellt[29] und die Akademie die weitgehend von der Politik abhängige Institution. 1955 war in den Arbeitsplänen des MfK von der Bildung gesamtdeutscher Gremien nicht mehr ausdrücklich die Rede[30] und zur gleichen Zeit begannen Diskussionen über die Definition einer eigenstaatlichen Kultur. Sie waren mit der Kulturkonferenz im Oktober 1957, die nun eine „sozialistische Nationalkultur“ verkündete, vorerst beendet; „gesamtdeutsch“ war nur noch ein organisatorischer Begriff, keine politische Forderung mehr.[31]
Was sich Becher von seinem Amt erhofft hat, bleibt durch sein ständiges Lavieren zwischen Macht- und Kunstpolitik unklar; da er nie eine eindeutige Haltung bezog, wurde er aufgerieben. Im Juni 1955 schilderte er in einem ausführlichen Brief an Ulbricht, daß ihm seine gesundheitlichen Beschwerden[32] keine langen Sitzungen erlauben und bat, diese einschränken zu dürfen, was ihm gewährt wurde.[33] Noch dringender war die Bitte an die Genossen des Politbüros im September, „mich sobald es irgendwie möglich ist, von der Funktion eines Ministers für Kultur zu befreien: ich bin gesundheitlich nicht in der Lage, den Anforderungen, wie sie solch eine Funktion an mich stellt, zu genügen„.[34] Die Vorlage wurde jedoch unbehandelt zurückgestellt und von einem Rücktritt, wenn es denn so gemeint war, war nicht mehr die Rede. Aber Anfang November wurde er bis auf weiteres krank geschrieben. Die eigentlichen Geschäfte der Verwaltung hatte sowieso immer Alexander Abusch geführt.
Die Linie der repressiven Ulbrichtschen Kulturpolitik hat Becher öffentlich nie in Frage gestellt und seine Haltung 1956/57 zu Ungarn resp. Georg Lukacs und in den „Revisionisten“-Prozessen zeigen einen gebrochenen Mann. Auf der Kulturkonferenz 1957 sprach er von der „verspielten Macht“ im Sinne Lenins, die schlimmer sei als ein mißlungener Aufstand und meinte selbstkritisch: „Nun, von der Macht, die uns, dem Ministerium für Kultur, anvertraut wurde, haben wir, – habe ich, ich will von mir allein sprechen, kleinmütig Gebrauch gemacht.“[35] Doch politische Macht hatte Becher nur so viel und solange, wie Ulbricht ihn stützte, eine wenn auch schwache und fast trotzige Haltung gegenüber dem offiziellen Kurs nahm er jedoch wahr. Auf den Kollegiumssitzungen, auf denen er direkt Einfluß auf die Arbeit des Ministeriums hatte, konnte er vieles ermöglichen. Ulbricht habe ihn „gewähren“ lassen, so Werner Mittenzwei[36] und Becher, kann man hinzufügen, seine Mitarbeiter. Für sie blieb die gesamtdeutsche Arbeit noch lange motivierender Anspruch, sie hat er immer wieder zu selbständigem Handeln aufgefordert, ihnen Freiräume zu eigenen Initiativen gelassen und sie vor Eingriffen der Partei zu schützen versucht.[37] Dem ist zu verdanken, daß viele Zeitgenossen diese Jahre als relativ freizügiges Schalten und Walten erinnern.[38]
Das gesamtdeutsche Programm
Ein gesamtdeutsches kulturpolitisches Gremium hatte Ulbricht in seiner Regierungserklärung vom 25. November 1953 versprochen.[39] Grotewohl zitierte ihn nochmals am 7. Januar. Man sei bereit, „die Voraussetzungen für vollkommene Verbreitungsfreiheit für alle deutschen Bücher, Zeitschriften, Filme und andere künstlerische Erzeugnisse auf dem Territorium ganz Deutschlands zu schaffen.“ Ausgenommen seien, nach dem Diktum Brechts, alle Werke, die Krieg und Haß unter den Völkern verbreiten. Man wolle sich einigen auf ein „gesamtdeutsches Gremium der namhaftesten humanistischen Schriftsteller, Verleger, Künstler und Wissenschaftler „. Dieser Körperschaft soll das Recht der Entscheidung übertragen werden. Bestrebt, den kriegerischen Schund und Schmutz aus der Literatur und Erziehung zu verbannen, erklärt die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ihre Bereitschaft, das Urteil dieses Gremiums der grössten Humanisten Deutschlands voll und ganz zu respektieren.„[40] Der affektiv formulierte Kampf gegen Schund und Schmutz in der westdeutschen Literatur war ein Lieblingsthema Bechers und es fand Eingang in die erste Programmerklärung des MfK vom März 1954 mit dem Titel Zur Verteidigung der Einheit der deutschen Kultur.[41] Dieses Dokument entsprach dem Aktionsprogramm vom IV. Parteitag Ende März 1954, das forderte, solche Programme für alle Ministerien aufzustellen,[42] wobei man sich auf einen Vorschlag des sowjetischen Außenministers W. M. Molotow berief, „gesamtdeutsche Komitees auf den Gebieten der kulturellen und sportlichen Beziehungen“ zu bilden.[43] Wortreich kündete das Programm von „Annäherung, Zusammenarbeit und einer Verständigung zwischen den Deutschen in Ost und West“ zur „Wahrung und Verteidigung der deutschen Kultur“ und stellte einen umfangreichen, freilich illusorischen Forderungskatalog auf: Austausch und Zusammenarbeit aller kulturellen Verbände und Institutionen in allen künstlerischen Sparten.
In den folgenden vier Jahren nahmen die Mitarbeiter des Ministeriums alle Möglichkeiten wahr, gesamtdeutsche und, nach 1955, europäische Kulturpolitik mit Erfolg zu betreiben, koordiniert von der Hauptabteilung Kulturelle Beziehungen mit dem Ausland unter Maria Rentmeister und der Abteilung Kulturelle Einheit unter Rudolf Jahnke[44]. Über die Vielfalt der Kontakte, Treffen und gemeinsamen Veranstaltungen wurde in der DDR sicherheitshalber offiziell gar nicht erst informiert, in der Bundesrepublik, wo sie in westdeutschen Fachzeitschriften und archivierten Informationsblättern nachzulesen sind, bestand andererseits immer die Gefahr des Verbots oder die von Repressalien gegen die Veranstalter. Zunehmend jedoch punktete das DDR-Ministerium mit der Qualität der traditionell berühmten Theater und Musikkörper in Berlin, Leipzig und Dresden und ihre viel beachteten Aufführungen gehörten zum Rahmenprogramm zahlreicher gesamtdeutscher Veranstaltungen in der Bundesrepublik. Ausgesprochen erfolgreich im Westen waren auch die professionellen volkskünstlerischen Tanz- und Musik-Ensembles. Auf dem Gebiet der Kunst – Berufs- und Volkskunst gleichermaßen[45] – erwuchs eine ideelle Konkurrenz, die beeindruckender war als alle Politaktionen.
Wissenschaftliche Gespräche in der indirekten Form von Rede und Gegenrede vor ausgewähltem Publikum waren ein viel praktiziertes Medium der kulturellen Verständigung. Sie wurden u.a. von zwei gesamtdeutschen Gruppierungen organisiert: von der Deutschen Bewegung[46] und dem Deutschen Kulturtag. Über den Kulturbund liefen Organisierung und (Teil-)Finanzierung, die Parteivorstände von SED und westdeutscher KPD genehmigten die entsprechenden Vorlagen. Die Gesprächsrunden der Deutschen Bewegung fanden bis Mai 1958 und fast ausschließlich in der Bundesrepublik statt.[47] Ambitionierter war der Deutsche Kulturtag, wobei sich die Mitgliedschaften überschnitten. Initiator und Vorsitzender des Kulturtages war der Münchner Anthropologe und Arzt Karl Saller,[48] der mit seiner konservativen Haltung viele Bundesbürger, aber auch die bürgerlichen Wissenschaftler der Generation, die sich im Kulturbund organisierte,[49] anzusprechen vermochte. Allgemeinster Bezugspunkt war die Einheit der Kultur, die Kritik an der westdeutschen politischen Entwicklung und der Wunsch nach mehr Mitsprache in der Deutschlandpolitik. Auf dem Programm standen fachliche Dispute unter Wissenschaftlern über die drängenden Fragen der Zeit: das Verhältnis Staat und Gesellschaft, die Definition von Freiheit und Individualität, der Begriff der Nation und des Politischen überhaupt usw. Noch waren es fruchtbare Auseinandersetzungen, denn man verstand sich gemeinsam im bildungsbürgerlichen Habitus. Auch war es dem unerschrockenen Saller weitgehend gelungen, sich dem Einfluß von kommunistischen „Instrukteuren“ zu entziehen.[50]
Bereits die erste Jahrestagung des Deutschen Kulturtages Ende Oktober 1952 in Bayreuth, mit Johannes R. Becher als Präsident des Kulturbundes, geriet zu einem öffentlichen und vermutlich provozierten Ärgernis: sie wurde prompt von den bayerischen Behörden verboten.[51] Daraufhin gab man das sogenannte Bayreuther Notprogramm heraus, das in seinen konkreten Forderungen dem späteren Märzprogramm des Ministeriums entsprach.[52] Trotz aller Schwierigkeiten wurde der Kontakt gehalten und erfolgreiche Jahrestagungen fanden in Heidelberg 1955[53], München 1956[54] und Hamburg 1957[[55] statt.
Auf der Jahrestagung im Mai 1958 in Dresden, wenige Monate nach der Kulturkonferenz der SED, wurden die Gegensätze forciert und Alfred Kurella, seit Oktober 1957 höchster Kulturfunktionär der SED, war entscheidend an der Verschärfung beteiligt, an deren Ende die Spaltung des Deutschen Kulturtages stand.[56] Mit Kurella wurde eine „Korrektur an der bisherigen programmatischen Zielsetzung des Deutschen Kulturtages“ beschlossen, wozu gleich auf dem ersten Sitzungstag – auf heimischem Boden – eine „prinzipielle Auseinandersetzung mit der Theorie und Praxis der einheits- und volksfeindlichen Kräfte in Westdeutschland“ geplant wurde.[57] Damit waren die Verständigungsofferten aufgekündigt. Doch trotz aller Kontrolle der DDR-Behörden war kritischen westdeutschen Teilnehmern die Einreise gelungen, die dann die ebenso prinzipielle Kritik an den staatlichen Repressionen vortrugen, denen sie nicht zuletzt in Dresden auf Schritt und Tritt ausgesetzt waren. Vor allem aber die Äußerungen in der Presse von Alexander Abusch, Wilhelm Girnus, Kurt Hager, Becher und Ulbricht zur neuen sozialistischen Kulturpolitik verstanden die Gäste als Aufkündigung der Zusammenarbeit.[58] Während auf der einen Seite nun marxistisch-leninistisch geschulte Wissenschaftler die Diskussionen beherrschten und als Kollektiv den SED-Staat repräsentierten, standen ihnen Einzelpersonen gegenüber, die die pauschalisierenden Faschismus- und Militarismusvorwürfe gegenüber der BRD nur noch als verletzend empfanden, hatten sie sich doch seit Jahren als Gegner der Bonner Deutschlandpolitik dem westlichen Konsens entzogen und saßen mittlerweile zwischen allen Stühlen. Inzwischen war eine kaum noch überbrückbare Kluft entstanden. Die Zusammenarbeit auf der Ebene persönlicher Begegnungen und Initiativen war 1958 beendet, jetzt konzentrierte sich die DDR auf den Ausbau von eigenen Gesellschaften[59] mit straffen Strukturen und dem Ziel internationaler Einbindung.[60] Durch den demokratischen Zentralismus im Strukturaufbau und zunehmend Inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit behielt man dabei die Kontrolle über Personen und Inhalte.
Das Ende
Das definitive Ende der Ära Becher begann am 18. Juli 1957 und die folgenden Vorgänge erlaubten den erwünschten scharfen Schnitt in der Kulturpolitik.[61] An diesem Tag reichte das Ministerium dem Präsidium des Ministerrats die von Becher gezeichnete Vorlage 206 „über die Zahlung von Urheber- und Verlagsrechten an die Bundesrepublik Deutschland und an das Ausland“ ein, in der ein Nachtrag zum Haushalt in Höhe von 4,5 Millionen Verrechnungseinheiten (VE) beantragt wurde.[62] Die Beträge waren aus Lizenzen entstanden, denn das Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (MAI) habe, wie die Begründung lautete, in den Interzonen-Verhandlungen seit 1954 „wiederholt den 100%igen Transfer der Verbindlichkeiten aus Urheber- und Verlagsrechten gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zugesagt„,[63] d.h. die Überweisung in Valuta.[64] Sie war Voraussetzung für die angestrebte Aufnahme des Amtes zur Wahrung der Aufführungsrechte (AWA) in die Confédération Internationale des Sociétés d’Auteurs et Compositeurs (CISAC).[65] Ulbricht begründete die Ablehnung der Vorlage 206 damit, die Devisenausgaben seien „nicht nur völlig überflüssig„, sondern „zum Teil gegen die Entwicklung einer fortschrittlichen Kultur“ in der DDR gerichtet[66] und übergab sie der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle (ZKSK).[67]
Der Bericht der ZKSK lag am 20. August 1957 in einer 50-seitigen Analyse vor und resümierte: „Die entstandene Lage ist so ernst, daß das internationale Ansehen der DDR in Verruf gerät und daß die materielle Fortführung kultureller Institutionen wie von Theatern und Verlagen in dem bisherigen Umfange akut in Gefahr ist. Das Versagen würde dadurch offenkundig werden.“[68] In seinem Anschreiben hob Ernst Wabra, der amtierende Vorsitzende der ZKSK, hervor: „Obwohl die entstandene Lage ökonomisch sehr schwerwiegend ist, muß nach meiner Auffassung als viel ernster die Tatsache beurteilt werden, daß unsere Kulturpolitik zu einer tiefgreifenden Abhängigkeit von Westdeutschland geführt hat. Das ist besonders verhängnisvoll auf den Gebieten, die für die Beeinflussung breiter Massen der Bevölkerung im täglichen Leben am wirksamsten sind.„[69]
Die Argumentation der Staatlichen Kontrollkommission zeigt das Dilemma: Rücksicht auf die internationale Reputation, indem man den Orchestern und Theatern Selbständigkeit bei ihren Vertragsabschlüssen zugestand hieß zugleich, die westliche Unterhaltungsindustrie in der DDR zu dulden, was nicht sein durfte. Mit dem Bericht war das Urteil über die Arbeit des Kulturministeriums gefällt und in den folgenden Monaten untersuchten die Zentrale Staatliche Kontrolle, die Zentrale Parteikontrolle und die Staatssicherheit in enger Zusammenarbeit die Vorgänge im Ministerium. Am Ende, im März 1958, beschloß das Politbüro u.a., Maria Rentmeister zu entlassen, Rudolf Jahnke wurde verhaftet und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Johannes R. Becher wurde mit Datum seines Geburtstags im Mai „pensioniert„, doch durch seine fortschreitende Krankheit und den Tod im Oktober wurde diese Entlassung vor 1989 nie bekannt.[70]
Inzwischen machte sich der Generationenwechsel in beiden deutschen Staaten bemerkbar und eine neue und von anderen Fragen als denen nach „deutscher Nationalkultur“ geleitete Generation vor allem der Künstler begann sich öffentlich zu äußern. Die Auseinandersetzung über einen neues Kulturverständnis kann in beiden Teilen Deutschlands verfolgt werden, wo die tümelnde Volkskultur wie die elitäre Hochkultur Konkurrenz bekamen, indem sich, von den jeweiligen Blockmächten beeinflußt, die bis heute vorhandene kulturelle Differenz zu entwickeln begann. Mitte der fünfziger Jahre fing man in der Bundesrepublik an, sich „gegen den Alleinvertretungsanspruch einer idealistisch umwölkten Hochkultur„[71] zu wehren und im Zuge der „Amerikanisierung“ gewann „Massenkultur“ den Aspekt demokratischer Breitenkultur. Parallel wurde in der DDR die betriebliche kulturelle Massenarbeit organisiert[72] die als Komponente der Sozialistischen Nationalkultur der Berufskunst gleich gestellt wurde. 1959 erhob die Bitterfelder Konferenz diese seit Jahren geförderte Zusammenarbeit der geistigen und materiellen Produzenten zum richtungweisenden Programm. Es war zugleich auch ein Gegenentwurf zur Kunstdoktrin Johannes R. Bechers, deren künstlerische Emphase nicht mehr zeitgemäß war.
Erweiterte unveröffentlichte Fassung (2004) des Kapitels „Der Minister“ aus Rudolf Jahnke
[1] Archive: Bundesarchiv Berlin; Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin. Ausführlich zur Biografie zuletzt: Jens-Fietje Dwars, Abgrund des Widerspruchs. Das Leben des Johannes R. Bechers. Berlin 1998; ders., Johannes R. Becher. Triumph und Verfall. Eine Biographie. Berlin 2003; Alexander Behrens, Johannes R. Becher. Eine politische Biografie. Köln, Weimar 2003.
[2] Bundesarchiv (BA), DC 20/I/3/212, Bl. 9-24: Ministerrat, 7.1.54; Neues Deutschland, 8.1.54.
[3] Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-Barch), DR 1/6199: Kollegium, 22.6.53; NY 4090/538: Grotewohl, Aussprache mit den Kulturschaffenden am 19.10.53; Neues Deutschland, 24.10.53.
[4] Helmut Müller-Enbergs, Der Fall Rudolf Herrnstadt. Tauwetterpolitik vor dem 17. Juni. Berlin 1991, S. 312: im Entwurf hieß es noch: „Wissenschaft und Kunst muß auf dem Gebiete des wissenschaftlichen und künstlerischen Schaffens die Möglichkeit gesichert werden, verschiedene Auffassungen zum Ausdruck zu bringen.“
[5] Siegfried Prokop, Intellektuelle im Krisenjahr 1953. Enquête über die Lage der Intelligenz der DDR. Analyse und Dokumentation. Schkeuditz 2003.
[6] Werner Mittenzwei, Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland von 1945 bis 2000. Leipzig 2001, S. 123-126; Dwars 1998, S. 705ff.
[7] Zur kontrovers diskutierten deutschlandpolitischen Forschung über die Monate nach Stalins Tod exemplarisch: Elke Scherstjanoi, Die sowjetische Deutschlandpolitik nach Stalins Tod 1953. Neue Dokumente aus dem Archiv des Moskauer Außenministeriums. In: VfZ 1998, H. 3, S. 497-549; Wilfried Loth, Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte. München 1996; Gerhard Wettig, Die beginnende Umorientierung der sowjetischen Deutschland-Politik im Frühjahr und Sommer 1953. In: Deutschland Archiv 28.1995, H. 5, S. 495-507; Müller-Enbergs, Anm. 4.
[8] SAPMO-BArch, NY 4090/531, Bl. 109f., 31.8.53
[9] SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/3/396.
[10] Vgl. Wilfriede Otto: Die SED im Juni 1953. Interne Dokumente. Berlin 2003.
[11] Hermann-Josef Rupieper, Die Berliner Außenministerkonferenz von 1954. In: VfZ 34. 1986, S. 427-453, hier S. 430.
[12] Nikolaus Katzer, Eine Übung im kalten Krieg. Die Berliner Aussenministerkonferenz von 1954. Köln 1994, S. 168.
[13] Heike Amos, Die Westpolitik der SED 1948/49-1961. „Arbeit nach Westdeutschland“ durch die nationale Front, das Ministerien für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit. Berlin 1999; B. Vierneisel, Volksbefragung 1951, unveröff. MS.
[14] Neues Deutschland, 26.11.53. – Zur Funktion eines gesamtdeutschen Gremiums als Beratungsgremium während der Konferenz s. Katzer, Anm. 11, S. 159.
[15] SAdK, Becher-Archiv, 13312; so auch die Resolution des Kulturbundes in: Aufbau 12.1953, S. 1034f.
[16] Johannes R. Becher, Publizistik IV: 1952-1958. Berlin-Weimar 1981 (Ges. Werke Bd. 18, hrsg. vom Johannes-R.-Becher-Archiv der Akademie der Künste der DDR), S. 227f.
[17] Stiftung Archiv der Akademie der Künste (SAdK), Zentrales Akademie-Archiv (ZAA), 118, Präsidium, 17.12.53.
[18] Bertolt Brecht, Briefe 3 (Bertolt Brecht Werke, Bd. 30). Berlin, Weimar, Frankfurt/M. 1998, S. 223f.
[19] SAdK, ZAA, OM 25, Akte Becher, Bl. 48f., Engel an Becher, 19.11.53.
[20] SAdK, ZAA 118, Präsidium, 23.4.53.
[21] SAdK, ZAA 118, Präsidium, 17.12. und 29.12.53.
[22] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/342, Politbüro, Beschluß 15.1.54; Amos, Anm. 13, S. 258-267.
[23] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/323, Politbüro, 15.9.53.
[24] BA, DC 20/I/3-212, 7.1.54, Bl. 9-24; Neues Deutschland, 8.1.54.
[25] Vgl. Sigrid Meuschel: Legitimation und Parteiherrschaft in der DDR. Zum Paradox von Stabilität und Revolution in der DDR 1945-1989. Frankfurt a.M. 1992, S. 274ff.
[26] Becher, Anm. 16, S. 234, 240.
[27] Vgl. Michael Ermarth, >Amerikanisierung< und deutsche Kulturkritik 1945-1965. Metastasen der Moderne und hermeneutische Hybris. In: Konrad Jarausch, Hannes Siegrist (Hg.), Amerikanisierung und Sowjetisierung in Deutschland 1945-1970. Frankfurt a.M., New York 1997, S. 315-334.
[28] Rupieper, Anm. 11; ders., Verpaßte Chancen? Ein Rückblick auf die deutschlandpolitischen Verhandlungen 1952-55. In: Wilfried Loth (Hg.): Die deutsche Frage in der Nachkriegszeit. Berlin 1994, S. 205; Katzer, Anm. 12; Amos, Anm. 13, S. 188-193.
[29] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/340, 5.1.54, erst 1956 wurde das ALV dem MfK eingegliedert. Vgl. Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis, ‚Jedes Buch ein Abenteuer‘. Zensur-System und literarische Öffentlichkeiten in der DDR bis Ende der sechziger Jahre. Berlin 1997, S. 19-60.
[30] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/906/91, Bl. 1-13 und 67-85: Arbeitspläne 1954/55; DR 1/7884, Bl. 63-71: u.a. Neuorganisation der gesamtdeutschen Arbeit auf Grund des Kollegiumsbeschlusses v. 18.5.55; SAPMO-BArch, NY 4182/931, Bl. 328-344: Analyse der Abt. Kultur ZK der SED auf der Grundlage der Zwei-Staatlichkeit, 20.9.55.
[31] Für eine sozialistische deutsche Kultur. Thesen der Kulturkonferenz der SED, Berlin 1957.
[32] Vgl. dazu Behrens, Anm. 1, S. 296, 300.
[33] SAdK, Becher-Archiv, 13367. – Abdruck in: Carsten Gansel (Hg.), Der gespaltene Dichter Johannes R. Becher. Gedichte, Briefe, Dokumente 1945-1958. Berlin 1991, S. 131ff.
[34] SAPMO-BArch, DY 30/4573: Beschlußauszüge des Politbüros, Brief v. 13.9.55.
[35] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/101/408, Bl. 146-151.
[36] Mittenzwei, Anm. 6, S. 125.
[37] Vgl. Beatrice Vierneisel, Rudolf Jahnke (1920-1981) – Ein >Manager< in der DDR. Aspekte der Kulturpolitik in den fünfziger Jahren (Hg. Der Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR). Schwerin 2002, S. 70-95 und Dokumente.
[38] Vgl. u.a. Hans Mayer, Der Turm zu Babel. Erinnerung an eine Deutsche Demokratische Republik. Frankfurt a.M. 1991.
[39] Neues Deutschland, 26.11.53; Sonntag, 29.11.53.
[40] BA, DC 20/I/3/212, Bl. 19.
[41] SAPMO-BArch, NY 4090/531, Bl. 170-239; Abdruck in: Becher, Anm. 15, S. 229-279. Vgl. BA, DR 1/25: Abusch koordinierte die Erstellung der Programmerklärung.
[42] SAPMO-BArch, NY 4090/408, Bl. 83-217: u.a. zu den Schwierigkeiten der Durchsetzung.
[43] BA, DR 1/7896, Pressevorstellung der Programmerklärung v. 24.3.54; vgl. auch Keesing’s Archiv der Gegenwart, 18.2.54, S. 4387.
[45] Auch in der BRD wurden politische Veranstaltungen mit volkskünstlerischen Rahmenveranstaltungen versehen, denn die Tradition der Arbeiterkulturbewegung war in beiden Staaten noch präsent.
[46] SAPMO-BArch, DY 27/850: Bildung im November 1954 in Berlin, ihre Vorsitzenden waren die Historiker Dr.Dr. Wilhelm Gerstacker (West) und Prof. Dr. Alfred Meusel (Ost).
[47] SAPMO-BArch, DY 27/2593: Gespräche 1955-58.
[48] Geb. 1902 in Kempten, Studium Anthropologie und Medizin in München und Kiel, Privatdozent in Kiel und Göttingen bis 1935; Entlassung wegen seiner Stellungnahme zur NS-Rassenlehre; private Praxis in Badenweiler, im 2. Weltkrieg Dienst als Arzt. 1945 Leiter des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart, 1948 Berufung nach München als Direktor des Anthropologischen Instituts der Universität, als Arzt leitete er eine Privatklinik, die ihm Unabhängigkeit verlieh; verh. mit einer Russin, gest. 1969; vgl. Volker Zimmermann, Karl Saller und die Einrichtung eines >Lehrstuhls für Rassenhygiene< an der Georg-August-Universität Göttingen. In: Medizingeschichte und Gesellschaftskritik. Festschrift für Gerhard Baader. Hrsg. von Michael Hubenstorf u.a. Husum 1997 (Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, Bd. 81), S. 366-377.
[49] Vgl. Ralph Jessen, Akademische Elite und kommunistische Diktatur. Die ostdeutsche Hochschullehrerschaft in der Ulbricht-Ära (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 135). Göttingen 1999.
[50] SAPMO-BArch, DY 27/881: Tagung Bayreuth 1952, darin Saller, Offener Brief an Bundespräsident Prof. Theodor Heuss v. 26.10.52; SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2026/43: Saller, 6.2.60, Bl. 69-79: Abschrift eines Briefes von Saller an Hugo Bergmann, Kulturbund; Saller wies hier die Vorwürfe des Buches „Die trojanische Herde“ zurück, das 1959 im Kölner Verlag für Politik und Wirtschaft herauskam; Autor war, unter dem Pseudonym Karl Richter, Werner Sticken, Mitarbeiter Sallers 1951/52 und langjähriger Verbindungsmann der SED für Kultur in der Bundesrepublik, bevor er die Seiten wechselte.
[51] SAPMO-BArch, DY 27/881, darin: Von der Verantwortung des deutschen Geistes. Die deutsche Kulturtagung in Bayreuth 1952. Hrsg. von Prof. Dr. Otto Schwarz. O.O. (Berlin), o.J., (Broschüre); sie hat zwar einen ostdeutschen Herausgeber, erschien aber wohl nur in der BRD, wo sie sofort beschlagnahmt wurde. Zum Prozeß, der im Juni 1954 zugunsten Sallers ausging, s. auch ebd. DY 27/882; BA, DR 1/292; SAdK, Becher-Archiv, 14574-14610.
[54] SAPMO-BArch, DY 27/2162, darin: Von der Zukunft der deutschen Kultur. Bericht über die Jahrestagung 1956 des Deutschen Kulturtages in München. Mit einer Dokumentation 1953-1956. O.O., o.J. (Broschüre).
[56] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2026/112, ebda. Bl. 77: Anfang 1959 versuchten Saller und Mette wieder ins Gespräch zu kommen.
[57] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2026/112, Bl. 52-57.
[58] SAPMO-BArch, DY 27/2159-2161, darin: Gegenwartsfragen deutscher Kulturpolitik. Deutscher Kulturtag – Jahrestagung Dresden 1958. München , o.J. (Schriftenreihe des Deutschen Kulturtages, H. 2), (Broschüre). Thema der Tagung war „Unsere Verantwortung vor der Jugend“, im Februar stand noch der Soziologe Helmut Schelsky als Referent im Programm, von dem gerade erschienen war: Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend. Düsseldorf 1957. – Ein Tagungsbericht in der Berliner Zeitung v. 22.5.58 läßt die harte Konfrontation nur ahnen, vgl. dazu den Abschlußbericht in DY 27/2159.
[59] BA, DR 1/7884, Bl. 224-230: Dr. Georg Münzer, Justitiar des MfK, 25.5.55: Gutachten über die rechtliche Stellung der Gesellschaften mit gesamtdeutscher Bedeutung auf dem Gebiet der Kultur; DR 1/7903, Bl. 52-63: Entwurf eines neuen Vereins-Gesetzes. – Vgl. Lothar Ehrlich, Die Goethe-Gesellschaft im Spannungsfeld der Deutschland- und Kulturpolitik der SED. In: Weimarer Klassik in der Ära Ulbricht. Hrsg. von Lothar Ehrlich und Gunther Mai unter Mitwirkung von Ingeborg Cleve. Köln, Weimar, Wien 2000, S. 251-281.
[60] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2026/112, Bl. 163-181: Minister Abusch an die Räte der Bezirke und Kreise, 24.3.58, Vertrauliche Dienstsache: Direktive für unseren kulturellen Kampf bei der Existenz von zwei deutschen Staaten, beschlossen vom Kollegium des MfK am 14.2.58.
[61] Ausführlich zum folgenden in Vierneisel, Anm. 37.
[62] BA, DC 20/I/4/250, Bl. 3 und 14.
[63] BA, DC 20/I/4/252, Bl. 1ff.
[64] Bisher waren nur 25% in Devisen, 75% in DM der Deutschen Notenbank auf Sperrkonten eingezahlt worden.
[65] BA, DC 20/I/4/252, Bl. 2; vgl. DR 1/7903: Bericht Münzer über Vertragsabschlüsse in Paris, 25.2.56, Bl. 244-252.
[66] BA, DC 20/I/4/252, Bl. 9.
[67] BA, DC 20/I/4/250, Bl. 14.
[68] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/4/164, ZPKK, Bl. 53-96 und in BA, DC 1/5136, Bl. 116-175; der Entwurf v. 12.8.57 in BA, DC 1/5136, Bl. 236-284.
[69] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/4/164, ZPKK, Bl. 50ff.
[70] SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/2/585, Politbüro, 18.3.58.
[71] Kaspar Maase, ‚Amerikanisierung der Gesellschaft‘. Nationalisierende Deutung von Globalisierungsprozessen? In: Jarausch, Siegrist, Anm. 26, S. 219-241, hier S. 227. Vgl. auch Bernd Greiner, ‚Test the West‘. Über die ‚Amerikanisierung‘ der Bundesrepublik Deutschland. In: Heinz Bude, Bernd Greiner (Hg.): Westbindungen. Amerika in der Bundesrepublik (Hamburger Edition). Hamburg 1999, S. 16-54. Axel Schildt, Moderne Zeiten. Freizeit, Massenmedien und ‚Zeitgeist‘ in der Bundesrepublik der 50er Jahre (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 31). Hamburg 1995.
[72] Beatrice Vierneisel, >Fremde< im Land. Mecklenburg-Vorpommern 1945 bis 1953 – Integration durch Volkskultur? In: Zeitgeschichte Regional, 5. 2001, H. 2, S. 37-42.